Eine Traditionsreiche Zunft – Geschichte der Gesellschaft zu Schiffleuten

Im Mittelalter bestand unsere Gesellschaft aus Fischern, Fischhändlern, Schiffleuten und Schiffmachern. Die Fischer sind schon 1342 als Gesellschaft anerkannt. Schiffleute werden erstmals um 1385 schriftlich im Zusammenhang mit dem Krieg Berns gegen die Kyburger erwähnt.

Als Bern gegen Ende des 14. Jahrhunderts die Kontrolle über die Aare von Bern nach Büren und auf der Zihl nach Nidau erlangt hatte, begannen die Stadtberner Fischer auf dem damals wichtigen Wasserweg Personen- und Warentransporte zu übernehmen.

Da die Stadt zur gleichen Zeit der Familie Bubenberg die Mühlen und die Sägewerke in der Matte abkaufte und sie an Bürger verpachtete, konnten unsere Stubengesellen dort auch mit dem Schiffbau beginnen.

Fischer und Schiffer

Noch im 15. und 16. Jahrhundert bestand Schiffleuten mehrheitlich aus Schiffleuten, Flössern, Schiffmachern, Fischern und Fischhändlern. Der öffentliche Fischmarkt befand sich zuunterst an der Kramgasse schräg gegenüber dem um 1400 gekauften Zunfthaus (heute Gerechtigkeitsgasse Nr. 80). Allein die Fischer von Schiffleuten hatten bis ins 1. Viertel des 17. Jahrhunderts das Recht, die in Interlaken und am Thunersee gefangenen Fische in Bern zu verkaufen. Sie handelten hauptsächlich mit Felchen und belieferten den Fischmarkt mit erstaunlichen Mengen.

Zwischen 1574 und 1579 rund 11'000 Stück pro Jahr, mit einem Maximum von 30'000 im Jahr 1575. Wegen des Raubbaus gingen die Lieferungen vom Thunersee zwischen 1588 und 1600 laufend zurück; im Durchschnitt waren es noch 7'300 Stück, mit einem Maximum von 20'000 im Jahr 1588.

Vischer: alter Ausdruck für Fischer

Wieso ihre Stube schon kurz nach 1400 «zu den Schiffleuten» und nicht «zu den Fischern» genannt wurde, bleibt ungeklärt. Die Bezeichnung «Vischer» taucht noch im 16. Jahrhundert auf. Auf der Kreuzung fanden die öffentlichen Gerichtsverhandlungen, aber auch Theateraufführungen statt.

Beamte, Notare, Schreiber

Wegen des Rückgangs der Fischerei und der Schifffahrt findet sich bei Schiffleuten schon im 17. Jahrhundert eine Reihe von staatlichen und städtischen Beamten, Notare, Schreiber in der Stadt und auf dem Land, Geistliche, dazu die Betreiber der Badhäuser im Nydeck- und Mattequartier und vereinzelte Chirurgen, «Schärer». Mit der Zeit verloren die beiden ursprünglichen Haupttätigkeiten unserer Gesellschaftsmitglieder ihre Bedeutung ganz, und heute sind vielerlei Berufsgattungen bei uns vertreten.

Die Ländte

An der Ländte oberhalb der grossen Aareschwelle in der Matte, der oberen Landeren, kamen die Schiffe aus dem Oberland an, und von der unteren Landeren auf der Höhe des heutigen Mühleplatzes fuhren die Schiffleute Aare abwärts ab.

Dort standen auch die drei Sägewerke, die wie einzelne mit Wasserkraft betriebene Schleifereien meist in der Hand von Gesellschaftsmitgliedern waren. In den Schleifereien wurden Harnische poliert und Werkzeuge geschliffen. Auf den Sägen wurden die Stämme, welche von unseren Schiffleuten auf der Aare aus dem Oberland heruntergeflösst worden waren, weiter zu Bauholz für die Obrigkeit oder Private verarbeitet, oder für den Eigengebrauch zum Bau von Schiffen, für den die Gesellschaft bis weit ins 17. Jahrhundert hinein ein Monopol besass.

Sie verkauften sie im ganzen damaligen Staatsgebiet von Yverdon bis Brugg, aber auch an Limmat und Rhein, nach Zürich, Schaffhausen, Laufenburg und Basel. Die Bedeutung des Schiffbaus geht schon aus Quellen im 14. Jahrhundert hervor. Zwischen 1375 und 1384 wurden in der Matte 152 Schiffe gebaut.

Die Glanzzeit

Ihre Glanzzeit erlebte die Gesellschaft vom 15. bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts. Fischhandel und Schiffsbau waren einträglich. Etwa ¼ der 25- 30 Mitglieder sassen im Grossen Rat, und sie stellte die Gesellschaft im Laufe der Zeit etwa ein Dutzend Landvögte und ein halbes Dutzend Mitglieder im Kleinen Rat.

Diese Glanzzeit ging 1643 zu Ende, als das Burgerrecht vorübergehend geschlossen wurde. Da das Burgerrecht Voraussetzung für die Aufnahme in eine Gesellschaft war, konnten aussterbende Familien nicht mehr durch Neuaufnahmen ersetzt werden. Vermehrt übernahmen Stubengesellen unbedeutendere städtische Ämter, waren nur noch als Sager, oder als Bader und Schärer tätig.

So fehlte nach und nach der Schiffleutennachwuchs. Fischer gab es kaum noch, weil die Obrigkeit die Fischversorgung des Markts aus dem Oberland in die eigenen Hände nahm. Der Schiffbau verlagerte sich, mit Rücksicht auf den Holzmangel rund um die Stadt, an den Thunersee, nach Yverdon und an die untere Aare. Die Organisation der Schiffstransporte wurde dem Landvogt in Interlaken, dem Schultheiss in Thun und der Schifferkompanie in Yverdon, sowie den Pächtern der von 1640 bis 1650 neu erstellten Schifffahrtskanäle zwischen Cossonay und Yverdon (Canal d’Entreroches) und zwischen Murten und Aarberg (Aarbergerkanal) übertragen.

Den Stubengesellen blieben noch kleine Aufträge ab Bern, und vorübergehend der Abtransport der leeren Weinfässer in die Rebgebiete im Waadtland und am Bieler- und Murtensee, und die Fahrten – hauptsächlich für die Berner Gerber – an die Messen in Zurzach. Der Mangel an Transportgelegenheiten auf dem Wasser führte nach 1670 zur Konzession von Unternehmern für die Strecke von Yverdon nach Brugg und retour mit der Auflage, genügend Schiffe und Personal für regelmässige Fahrten in beiden Richtungen bereitzuhalten. Eingeschlossen waren ebenfalls die Transporte nach Zurzach.

Der Schultheiss in Thun hatte mit Thuner Schiffleuten nach 1681 ebenfalls mehrmals wöchentlich Fahrten zwischen Thun und Bern sicherzustellen.

Gefahr für die Gesellschaft

Die Gesellschaft geriet in dieser völlig veränderte Situation in Gefahr zu verschwinden, was bei einer andern kleinen Gesellschaft, den Rebleuten, dann tatsächlich eintrat. Von 1684 bis 1710 war die Gesellschft im Grossen Rat nicht mehr vertreten. Der letzte Grossrat, zugleich Obmann der Gesellschaft, war Chirurg und starb 1684. Von da an bestellte die Obrigkeit für wichtige Funktionen in der Gesellschaft Stellvertreter aus andern Zünften und Gesellschaften.

Erst die Einsicht, dass man Pontoniere brauche, bewog die Regierung zu Beginn des 18. Jahrhunderts dazu, die Konzession für die Schifffahrt auf der wichtigen Jurafuss-Wasserstrasse und von Bern nach Zurzach wieder der Schiffleutengesellschaft in Bern zu übertragen. Sie war jedoch aus Personalmangel gezwungen, dafür Schiffleute aus andern Orten zu beschäftigen. Zwischen 1720 und 1752 schlossen weniger als ein halbes Dutzend Schiffleute ihre vierjährige Lehre ab und erhielten den Gesellenbrief.

In der Jahrhundertmitte besass die Schiffleutenkompanie aus Yverdon praktisch das Monopol zwischen Yverdon und Solothurn, und der Schiffbau verlagerte sich nach Därligen am Thunersee. Der forcierte Bau moderner Strassen im Mittelland führte zusätzlich zu einem Rückgang der Nachfrage nach Schiffstransporten. So war die Mehrzahl der Stubengesellen in andern Berufen oder als Angestellte der Stadt, des Staates, oder sogar in ausländischen Armeen tätig.

Obschon im 18. Jahrhundert noch Neuaufnahmen erfolgten, sank die Zahl der zünftigen Familien bis zum Ende des Alten Bern auf elf ab. Nur wenige Mitglieder waren weiterhin als Schiffleute tätig und betrieben Sägewerke in der Matte, welche 1819 nach dem grossen Brand der benachbarten Mühle an die Stadt verkauft wurden.

Aufschwung

Eine Renaissance erlebte die Gesellschaft am Ende der Helvetik. Die Aufnahme einer ganzen Reihe neuer Familien liess deren Zahl von 1808 bis 1873 wieder auf 22 ansteigen; wie stark die Erneuerung war, zeigt sich darin, dass von den 22 nur drei schon vor 1800 zu Schiffleuten gehörten. Von den neu aufgenommenen Familienvätern werden viele als Handelsmann oder Weinhändler bezeichnet. Einzelne waren in der Politik aktiv, im Burgerrat, zwei im Gemeinderat der Stadt Bern, drei im Grossrat, einer sogar im Regierungsrat und ein anderer im Nationalrat. Ein weiterer war Kantonsbaumeister; er hatte in der Helvetik die Pläne für die Neustadt in Aarau entworfen, als dort die helvetische Hauptstadt entstehen sollte, und erarbeitete 1834 die Pläne für den Wiederaufbau Huttwils nach dem grossen Stadtbrand.

Zunfthäuser

Vermutlich etwa um 1390 kaufte die Gesellschaft ihr erstes Haus zuoberst auf der Sonnseite der heutigen Gerechtigkeitsgasse. Sie behielt es bis 1824, kaufte 1865 die Liegenschaft Haus Kramgasse 68 und ist seit 1952 an der Münstergasse 22 zu Hause.

Flussschifffahrt

Mit der Schifffahrt und der Fischerei hatten nur noch ganz wenige zu tun, wie etwa der Schwellenmeister Küpfer, der im Schwellenmätteli im Sommer das Restaurant und die Fähre betrieb und den Gästen Fischgerichte offerierte. Wahrscheinlich verstarb 1856 der letzte Stubengeselle, der das Schifferhandwerk noch berufsmässig betrieb.

Seine drei Verwandten betrieben ein Papeterie- und Buchbindergeschäft am Zytglocken, der zweite war Drechslermeister, und der dritte Ausbildungschef der eidg. Artillerie (Oberst, Instruktionsoffizier)Die reine Flussschiffahrt verlor ihre Bedeutung dann mit dem Bau der Eisenbahnen ganz, und auf den Seen bildeten Dampfschiffe eine neue Konkurrenz. Für Bern hatte die Strecke von Thun herunter nach wie vor einige Bedeutung. Dreimal in der Woche verkehrten Weidlinge, die aber von Thuner Schiffleuten gesteuert wurden.

Sie bewältigen immer noch einen regen Verkehr mit Personen, vielerlei Gütern und Vieh. So kamen beim Bau der Nydeckbrücke nach 1840 sämtliche dafür benötigten Kalk- und Granitsteine aus dem Oberland auf der Aare nach Bern. Nach der Eröffnung der Eisenbahnlinie nach Thun wurden die regelmässigen Personentransporte noch bis 1876 aufrecht erhalten.

Und einzelne Schiffmänner luden regelmässig an Sonntagen zu Vergnügungsfahrten vom Schwellenmätteli nach Reichenbach und zur Neubrücke ein.

Zunft und Stube

Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts war in Bern der Begriff «Zunft» verpönt. Die Berufsorganisationen der Handwerker nannte man Gesellschaften. Aus diesem Grund hat Schiffleuten die alte Bezeichnung